Durchgangs-
station Asyl
Steinhausen
Kategorie:
Wettbewerb
Ort:
Steinhausen CH
Jahr:
2020
Leistungen:
Wettbewerb
Bauherrschaft:
Kanton Zug
Kooperation:
Knabe Architekten
Als Ort, an dem Asylsuchende nach einer oft langen Flucht erstmals zur Ruhe kommen und als Ort, an dem erst nach einer Orientierung nach Innen wieder eine Öffnung gegenüber der Welt erfolgt, verlangt die Konzeption der Durchgangsstation in Steinhausen entsprechend Sensibilität und Ernsthaftigkeit, ohne dabei durch Strenge einzuengen. So soll die neue Durchgangsstation ein Ort des Ankommens sein, der es zulässt, neues Vertrauen zu fassen, in sich selbst und in die Gemeinschaft. Über den Prozess der Erfüllung menschlicher Grundbedürfnisse hinaus, soll den Bewohnenden zu einem individuellen Sicherheitsempfinden verholfen werden, das die Öffnung hin zur Gemeinschaft ermöglicht und damit zu einem lebendigen und vertrauensvollen Zusammenleben beiträgt.
Der Neubau tritt mit einem angemessenen und doch selbstbewussten Ausdruck in Erscheinung. Als dreigeschossiger Baukörper steht er im umgebenden Grünraum. Die geringe Fassadenhöhe bewirkt eine wohltuend einladenden Maßstäblichkeit des Gebäudes. Durch eine eher artifizielle Färbung der Gebäudehülle wird dem Haus gleichzeitig eine gewisse Autonomie und Präsenz am Ort zugesprochen.
Die Hoftypologie mit innenliegender Laubengangerschließung bietet einen schützenden Raum und schafft Orientierung. Im Erdgeschoss liegen Verwaltung und Gemeinschaftsräume. In den beiden Obergeschossen befinden sich Wohnungen für 6 oder 8 Personen. Die Gemeinschaftsnutzungen der Bewohnenden orientieren sich mit direktem Zugang sowohl zu den Grünflächen als auch zum Hof. Über die Wohn- und Essräume, welche am Laubengang liegen, werden die einzelnen Wohneinheiten betreten. Von hier werden die Schlafräume vorwiegend über Vorplätze, von denen ebenso die Nasszellen betreten werden, erreicht. Damit werden verschiedene Ebenen der Öffentlichkeit respektive der Privatsphäre geschaffen. Vom Innenhof über den Laubengang in die Wohneinheit und weiter über eine Vorzone in die Schlafräume nimmt die Privatheit stetig zu. So orientieren sich die Fenster der Individualräume hin zu den umliegenden Grünflächen.
Die Gestaltung der Innenräume spiegelt durch Elemente wie die sichtbare Holzoberflächen der Deckenuntersichten das konstruktive Wesen des Gebäudes wider. Helle Wände tragen zu einer hohen Reflektion von Tageslicht bei. Ein gegossener Heizestrich verfügt über eine nutzungsgerechte Robustheit und die nötige Masse zur bauphysikalischen Regulierung der Innenräume. Im Außenbereich werden lasierte Holzwerkstoffplatten als Fassadenbekleidung durch die rohen Metalloberflächen der Laubengangkonstruktion und Holzmetallfenster ergänzt.
Die Hoftypologie des neuen Baukörpers formuliert zwei klar unterschiedliche Außenräumqualitäten. Die das Gebäude umgebenden und natürlich gestalteten Grünräumen werden durch den artifiziell angelegten und befestigten Innenhof ergänzt. Atmosphärisch orientieren sich die umgebenden Grünflächen an den regionalen Feld- und Wiesenlandschaften. Es dominieren daher Grasflächen in Form von Wildblumenwiesen, gemähtem Rasen und Schotterrasen. Eingestreute Bäume lösen die Strenge der Gehölzrahmenbepflanzung entlang der Parzellengrenzen auf und verbinden diese mit dem Inneren der Anlage. Die Erdgeschossnutzung gibt die Ausformulierung der Einzelbereiche vor – Außensitzflächen vor den Gemeinschaftsräumen, davor die lebendige Spielwiese, der Spielplatz als Fortsetzung des Kinderspielraums und durch Gehölze geschützte Außenlernflächen im Bereich der Unterrichtsräume. Dazwischen liegende informelle Bereiche ergänzen das Raumangebot für die vielfältigen Bedürfnisse der verschiedenen Nutzergruppen.
Das Tragwerk folgt einem einfachen Prinzip. Raumbildende Wände in Holz-Ständer-Bauweise tragen vertikale und horizontale Lasten ab. Die Decken spannen als einachsig tragende Holz-Beton-Verbundkonstruktionen über die kurze Seite und liegen auf den längsseitigen Außenwänden auf. Durch eine geschickte Wahl der Abmessungen, lassen sich so die Anforderungen an Brandschutz und Akustik konstruktiv einfach erfüllen. Die Holzkonstruktion setzt auf einer Bodenplatte mit Frostriegel und einer Teilunterkellerung in Stahlbeton auf. Für Bauteile aus Stahlbeton wird ressourcenschonender Recyclingbeton verwendet. Die dreigeschossige Holzkonstruktion eignet sich ideal für eine Vorfertigung. Innen- und Außenwände werden als geschosshohe Scheiben und die Deckenkonstruktion als Streifen unter kontrollierten Bedingungen im Werk gefertigt. Die Vorfabrikation der Holzelemente bietet, gegenüber einer Massivbauweise, eine deutlich verkürzte und emissionsärmere bauseitige Montage. Der Rohbau für die neue Durchgangsstation kann in wenigen Tagen erstellt werden. Durch die werkseitige Vorfertigung kann hierbei gleichzeitig eine hohe Qualität der einzelnen Bauteile erreicht werden. Des weiteren ermöglicht die präfabrizierte Holzbauweise aufgrund der hohen Planungsgenauigkeit bereits in frühen Projektphasen eine verlässliche Kostenplanung.
Der Innenhof ist das Herzstück der Anlage. Hier ist es lebendig, hier kommt man zusammen zum Essen und zum Feiern, aber auch mit auswärtigen Gästen. Es können Kleiderbörsen und kleine Märkte stattfinden. Aufgrund dieser Nutzung ist er weniger naturnah gestaltet als die angrenzenden Außenräume. Mobiliar und Pflanztröge können in ihrer Lage verändert und auch bei Bedarf neu bepflanzt werden. Konstanten sind dabei einige Bäume, welche auch die oberen Geschosse begrünen und für geschützte Bereiche im Hofgeschoss sorgen. Im Gegensatz zu den vorwiegend einheimischen Gehölzen außerhalb des Gebäudes, handelt es sich im Inneren um üppiger anmutende malerisch wachsende Kleinbäume mit Aspekten, wie einer heiteren Blüte im Frühjahr oder einer leuchtenden Herbstfärbung.
Die Materialisierung der umgebenden Landschaft taucht in Form einer Chaussierung im Inneren wieder auf und wird gefasst durch großformatige, vor Ort gegossene, Betonplatten, welche sich im Bereich der Durchgänge mit der umgebenen Landschaft verzahnen und auch dort Platz für gemeinschaftliche Nutzungen bieten.
Der Neubau für die Asyl-Durchgangsstation nimmt seine Rolle als temporärer Wohnort für eine divergente Bewohnerschaft an und bringt diese durch seine architektonische Gestalt selbstbewusst zum Ausdruck. Es entsteht ein Ort zur Unterkunft vulnerabler Personen, der den Anspruch verfolgt durch sein Wesen einen Beitrag zur Inklusion von schutzbedürftigen Menschen in unserer Gesellschaft zu leisten.